– Audiodeskription am Schauspiel Leipzig

Audiodeskription am Schauspiel Leipzig

Mit Beginn der Intendanz von Enrico Lübbe sollte das Schauspiel Leipzig wieder einem größeren Teil der Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Hinsichtlich der Senkung jeglicher Barrieren, die ZuschauerInnen abhalten können, ins Theater zu gehen. So wurde im Dezember 2013 das Projekt Audiodeskription gestartet. Eigens dafür geschulte – nichtsehende und sehende – AutorInnen erweitern seitdem Stück für Stück ihr Repertoire und machen das Schauspiel Leipzig so zum ersten deutschsprachigen Theater mit einem kontinuierlich erweiterten Angebot im Sinne der sozialen Inklusion. Blinde und sehbeeinträchtigte Menschen besuchen eine reguläre Vorstellung und bekommen live während der Vorstellung durch eine Sprecherin via Kopfhörer das Geschehen auf der Bühne beschrieben. Monatlich findet mindestens eine Vorstellung mit Live-Audiodeskription statt, seit Dezember 2013 mittlerweile über 60 Vorstellungen mit fast 500 blinden und sehbeeinträchtigten BesucherInnen.

Eine Gruppe blinder und sehbeeinträchtigter Menschen auf der Bühne im Hintergrund der Zuschauerraum.
Zur Audiodeskription gehört am Theater meistens auch eine Bühnenführung © Rolf Arnold

Der Ablauf am Abend

Jede Vorstellung mit Audiodeskription am Schauspiel Leipzig hat einen speziellen, ganz auf blinde und sehbeeinträchtigte BesucherInnen zugeschnittenen Vorlauf. In der Regel beginnt 90 Minuten vor der Vorstellung eine blindengerechte Bühnenführung, um den Bühnenraum samt seiner Ausmaße zu erfahren, sowie Objekte und Materialien zu ertasten, die Teil des Bühnenbildes oder Requisiten sind.

Im Anschluss folgt eine blindengerechte Stückeinführung, die nicht nur aus einer inhaltlichen und konzeptionellen Hinführung zur Vorstellung besteht. Besonderes Augenmerk gilt dem Kostümbild, welches durch Beschreibung und Betasten einiger Stoffproben oder Kostümteile besonders erfahrbar wird.

Kontakt

Maila Giesder-Pempelforth

Telefon
0341 - 126 81 43 (Do 8:30 – 14:30 Uhr)
E-Mail
audiodeskription@schauspiel-leipzig.de

Im Anschluss werden entsprechend die Empfängergeräte ausgeteilt und deren Handhabe erklärt. In den 30 Minuten vor der Vorstellung läuft über die Empfänger-Geräte eine vorproduzierte Tonaufnahme, in der noch einmal kurz die komplette Ausstattung erklärt ist, die Figuren des Stückes beschrieben werden und bereits Originaltöne der SchauspielerInnen mit eingearbeitet sind. So kann auch der Gast, der nicht an der Bühnenführung teilnehmen konnte, alle wichtigen Informationen zusammengefasst, anhören.

Kinder ertasten das Kostüm vom Urfin (vor der Vorstellung „Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten)
Kinder ertasten das Kostüm vom Urfin © Rolf Arnold

Die technischen und finanziellen Voraussetzungen

Für die Audiodeskription wurde im Großen Saal des Schauspiel Leipzig eine entsprechende Anlage mit einem Investitionsvolumen von ca. 19.000 € installiert. Diese Summe setzt sich zusammen aus den Kosten für den Sender (606,35 €), die 35 Empfangsgeräte (389,84 € pro Empfänger zzgl. 33,62 € pro Kopfhörer) und einer eigens eingerichtete Sprecherkabine mit Schallschutzvorhang und unmittelbarem Blick auf die Bühne.

Die beiden ersten Audiodeskriptionen inkl. technischer Grundausstattung kosteten das Schauspiel Leipzig ca. 31.000 €, sechs Vorstellungen, Erstellung des Audioskripts und Live-Einsprache. Jede weitere Audiodeskription kostet in der Erstellung ca. 4.000 €.
Das Projekt Audiodeskription wird übrigens vom Schauspiel Leipzig aus Eigenmitteln und Sponsoring finanziert, es gibt bisher keine weiteren Förderungen.

Sprecherin Beatrix Hermen in der neu ausgebauten Sprecherkabine
Sprecherin Beatrix Hermen in der neu ausgebauten Sprecherkabine © Rolf Arnold

Inklusion am Schauspiel Leipzig

Durch das kontinuierliche Angebot der Audiodeskription bekam das Schauspiel Leipzig einen wichtigen Impuls und es folgten weitreichende Erweiterungen in Sachen Barrierefreiheit und Inklusion.
Die Einbindung von sehbehinderten und blinden Menschen in die Erstellung der Hörtheaterfassungen ist unabdingbare inklusive Voraussetzung für das Projekt.

Baulich wird das Schauspiel Leipzig inklusiver: Die seit dem letzten Umbau im Jahr 2002 barrierefreien Zugänge ins Schauspielhaus und ins Parkettgeschoss (Aufzug) wurden im Oktober 2015 um ein blinden- und sehbehindertengerechtes taktiles Leitsystem erweitert – mit einem ins Haus führenden Aufmerksamkeitsstreifen, Handläufen sowie Relieftafeln für Erd- und Parkettgeschoss.

Um für das Thema Inklusion zu sensibilisieren, bieten das Schauspiel Leipzig Audiodeskriptions-Workshops an, um Interessierten einen Einblick in die Entstehung und Umsetzung des Hörtheaters zu gewähren.

Zusätzlich zur Audiodeskription wird jährlich mindestens eine Vorstellungen mit GebärdensprachdolmetscherInnen für gehörlose und  hörgeschädigte Gäste angeboten.

Auf einer großen Theaterbühne steht eine Menschengruppe. Viele davon tragen Langstöcke bei sich. Die Person im Zentrum der Gruppe leitet diese Führung. Im Hintergrund ist die Kulisse eines Stücks zu sehen.
Bühnenführung vor Vorstellungsbeginn © Rolf Arnold

Inklusionspatenschaften

Um die Mobilität unserer blinden und sehbeeinträchtigten Gäste zu erleichtern, hat das Schauspiel Leipzig in Zusammenarbeit mit der Stiftung Bürger für Leipzig und dem Blinden- und Sehbehindertendienst des Diakonisches Werk Innere Mission Leipzig
ein Patenprogramm ins Leben gerufen. Äußert der blinde Gast bei Kartenbestellung den Wunsch, wird ihm einer der Inklusionspaten vermittelt, mit dem er sich individuell zum gemeinsamen Theaterbesuch verabredet, von diesem zu Hause abgeholt werden könnte, die Vorstellung mit Live-Audiodeskription besucht und wieder nach Hause begleitet wird.

Mittlerweile stehen  über 40 ehrenamtliche Paten zur Verfügung, die  persönlich erfasst und selbstverständlich im Begleiten Blinder und Sehbehinderter geschult wurden.

Blinde Gäste mit ihren Inklusionspaten bei der Bühnenführung und Stückeinführung von Enrico Lübbe, Intendant und Regisseur der Inszenierung „Die Schutzflehenden /Die Schutzbefohlenen“
Blinde Gäste mit ihren Inklusionspaten © Rolf Arnold